Aus der Autobiographie des Photographen James Aurig (1857 bis 1835), der in diesem Jahr 150 Jahre geworden wäre (Teil 1)

In Blasewitz entschied sich mein Schicksal  – Ausstellungen im BuchHaus Loschwitz und in der Weinhandlung Blasewitz (4. –  31. Dezember) und ein Kalender über James Aurig

Alma und James Aurig mit den Söhnen Ronald, James Hugo und Erhard, den Töchtern Elsa Alma und Erna Bianca sowie einer weiteren Be­kannten. Foto: Atelier Aurig (Archiv Friedrich Aurig)

Alma und James Aurig mit den Söhnen Ronald, James Hugo und Erhard, den Töchtern Elsa Alma und Erna Bianca sowie einer weiteren Be­kannten.
Foto: Atelier Aurig (Archiv Friedrich Aurig)

Nun las ich in einer Annonce (in Chemnitz), dass ein Photographengehilfe gesucht wurde. Ich meldete mich und kam als Lehrling bei Richard Ronneberger an. Ich erhielt wöchentlich 50 Mk. Dadurch, dass ich nur Sirup und Wurstfett zum Brode aß, gelang es mir, von dem Geld auch noch im Jahr einen Anzug zu sparen. Das Atelier grenzte in den Gasthausgarten „Goldner Anker“. Da blieb oft etwas Essen von Gästen übrig, was mir die Kellner dann überließen. Als ich drei Jahre gelernt hatte, ging ich zur weiteren Ausbildung zu einem Photographen auf der Reitbahnstraße, Bässler.

Dann überredete mich ein befreundeter Gärtner, mit ihm auf Wanderschaft zu gehen. Als ich schon reisefertig war, folgte ich der Aufforderung der bärtigen Dame. Es war gerade Jahrmarkt, den Ausrufer zu machen bei 5 Mk. Lohn. Es fiel mir aber sehr schwer und so habe ich es nur einen Tag gemacht.

Dann sind wir losgetippelt nach Zwickau zu. In Planitz erhielt mein Freund Arbeit und ich stand nun allein. Da habe ich kehrtgemacht und bin nach Dresden marschiert, wo damals Bruder Hugo im Rechnungsbüro der Bahn angestellt war. Er wohnte im alten Ratskeller in Striesen, wo ich auch Unterkunft fand. Ich suchte und fand gleich die Stellung als Kopierer bei „Jobst und Siebe“, Prager Straße. Als die Firma an Berndt aus Berlin verkauft wurde, der sein Personal mitbrachte, musste ich eine andere Stellung suchen und fand bei Kons­tantin Schwendler Stellung, gegenüber dem Zwinger. Als der sein Personal einschränken musste, fand ich Stellung in Böhmisch Leipa. Dort übernahm nach Jahresfrist der Geschäftsführer das Atelier auf eigene Rechnung und übernahm seine Gattin die Gehilfenarbeit. Nun ging ich zurück nach Dresden. Ich erhielt wieder Stellung bei Johannes Schuhmacher als Leiter des Ateliers in Blasewitz. Hier entschied sich mein Schicksal.

Blasewitz mit Blauem Wunder, Dampfer Germania und „Schillergarten“, um 1900. Foto: James Aurig („Ortsgeschichtliche Sammlung Blasewitz und Umgegend“ von Karl Emil Scherz)

Blasewitz mit Blauem Wunder, Dampfer Germania und „Schillergarten“, um 1900.
Foto: James Aurig („Ortsgeschichtliche Sammlung Blasewitz und Umgegend“ von Karl Emil Scherz)

Heirat und fünf Kinder

Eines Tages zog, gegenüber dem Atelier, eine Familie Kürschnermeister Moritz Müller ein. Als ich im Hofe dessen Töchterlein sah, sagte ich sofort zu meinem Gehilfen, diese muss meine Frau werden. Im selben Hause wohnte ein Friseur Tischendorf, den ich kannte. Ich wandte mich an Frau Tischen­dorf, welche mir die Bekanntschaft meiner Angebeteten ver­mittelte. Ich habe sie gleich gefragt, ob sie mein Schatz sein will, worauf sie erwiderte, „oh gewiss“. Ich habe mich dann kurz danach den Eltern vorgestellt und durfte dann immer in die Wohnung kommen.

Das Blasewitzer Geschäft wurde weiter verkauft und ich erhielt nun Stellung bei Gustav Karsch als Filialleiter in Augustusbad bei Radeberg. Als der Winter kam, muss­te ich wieder wechseln. Ich habe erst Negativretusche für Hubert Dung, Waisenhausstraße, geliefert. Dann nahm ich wieder feste Stellung an bei August Adler, Victoriastraße. Hier erhielt ich 7 Taler Wochenlohn. Nun beschlossen wir, zu heiraten (18. August 1878). (…)

Am Reformationstag desselben Jahres wurde unser erstes Kind Ronald geboren. (…) Ich zog dann in eine Wohnung Emserallee (heute Goetheallee), um näher der Stadt zu sein. Das Haus gehörte zum Grundstück des Weißen Schlosses und wurde später niedergerissen, um größer gebaut zu werden. Durch den Krieg ist es bis heute nicht wieder aufgebaut worden. In diese Zeit fiel die Gründung des Photographengehilfen Verbandes, an der ich aktiv beteiligt war und Vorstand wurde. Dadurch lernte ich Hofphotograph Köppke kennen, der mir sein Filialgeschäft am Georgplatz anbot. Ich gab meine Stellung bei Adler auf und übernahm das Geschäft in der Hoffnung, etwas Geld von Onkel Rost, dem reichen Bäckermeister in Obergruna, dem Bruder meiner Schwiegermutter, geliehen zu erhalten. Der war aber hartleibig und da Köppke wohl selbst Geld brauchte, er war von Kolberg nach Dresden übersiedelt, drängte er mich und ich musste wieder aus dem Geschäft herausgehen. Ich nahm nun eine Stellung als Geschäftsleiter bei Hofphotograph Christian Kolberg im Kurbad Oynhausen an. (…)

Ich war mit meiner Stellung zufrieden und wäre noch jahrelang geblieben. Aber die Empfangsdame von Adler in Dresden steckte sich hinter meine Schwiegereltern, die uns auch gern wieder in Dresden haben wollten und bohrte so lange, bis ich mich entschloss, nach Schluss der Badesaison wieder nach Dresden zu Adler zu gehen. (…)

Wir fanden eine kleine Wohnung in der Astraße (?), ebenerdig, Stube, Kammer und Küche. Als dann aber im Frühjahr die kleine Alma (13. Februar 1882) geboren wurde, reichte der Platz wieder nicht aus und wir zogen in die Augsburger Straße, neben Hotel Hammer, in den zweiten Stock. Damals kannte man aber noch keine Wasserleitung in den Häusern und musste meine arme kleine Frau das ganze Wasser die zwei Treppen hoch schleppen und wenn wir Kohlen kauften, die ganzen Kohlen allein in den Keller schleppen, denn ich war bis spät im Atelier beschäftigt. Auch habe ich schon gleich nach der Verheiratung angefangen, für andere Geschäfte die Negativretusche zu machen, um noch etwas dazu zu verdienen.

So habe ich meist bis Mitternacht und dann auch früh vor dem Gang ins Geschäft gearbeitet. Ich bin oft bei der Arbeit am Retuschierpult eingeschlafen, aber das Gehalt reichte bei aller Sparsamkeit nicht aus, ich musste etwas dazuverdienen. So habe ich auch sonntags bei einem alten Stadtrat in Blasewitz dessen photographische Arbeiten erledigt und mit dessen Apparat, wo es anging, Bekannte photographiert. Für den Photograph Wetzel, Prager Straße, habe ich so jahrelang die ganze Negativ­retusche in den Nächten ausgeführt. In dieser Wohnung wurden uns dann auch noch die letzten Kinder geboren, Erhard (12. Januar 1884) und Bianka (27. August 1885).

Die Brüder Hugo und James Aurig mit ihren Frauen Anna und Alma. Foto: Atelier Aurig (Archiv Friedrich Aurig)

Die Brüder Hugo und James Aurig mit ihren Frauen Anna und Alma.
Foto: Atelier Aurig (Archiv Friedrich Aurig)

Stellung bei Römmler & Jonas

Durch meine Stellung als Vorstand im Gehilfenverband lernte ich viele Chefs kennen. So trat auch einmal Hofphotograph Römmler an mich heran. Er suchte einen Operateur für nasse Platte. Durch Erfindung der Trockenplatten lernte der Nachwuchs nicht mehr mit nassen Verfahren umzugehen. Ich erhielt bedeutend mehr Gehalt und habe die Stellung angenommen. Es handelte sich um sehr schwierige Arbeiten, für die Lichtdruckmaschinen Druckmaterial zu liefern. Ich habe es aber gemeistert.

Nachdem ich eine Zeit lang bei Römmler war, wurde mir ein Atelier mit Wohnung auf der Pillnitzer Straße zu mieten angeboten. Unger und Hoffmann, Reissiger Straße, erbot sich, mir Kredit für die Anschaffung des Ateliermaterials zu geben. Er kannte mich jahrelang durch den Gehilfenverband. So zogen wir dann in die Pillnitzer Straße. Die Wirtin machte große Augen, als wir mit fünf Kindern ankamen. Sie hatte gedacht, wir wären erst jung verheiratet. Ich engagierte nun einen Gehilfen, der die Arbeiten ausführen musste, während ich bei Römmler war. Während der Mittagspause bestellte ich die schwersten Aufnahmen und sonntags hatte ich auch frei. Nachdem ich das Geschäft schon gut eingerichtet hatte, empfand ich das Bedürfnis, mich ganz meinem Geschäft zu widmen und von Römmler fort zu gehen. Dieser bedauerte es sehr. Er wollte mich bedeutend verbessern. Aber ich ließ mich nicht halten und ging. Obgleich er mir erst böse war, kam er doch nach einiger Zeit und bot mir an, für ihn Architekturaufnahmen zu machen, im Format 28 x 38.

Ich nahm den Auftrag an und ließ mir nach Römmlers Muster eine Kamera bauen. Die Objektive lieh er mir nach Bedarf. So habe ich in Dresden, Berlin und anderen Städten für Römmler gearbeitet. Hatte ich in Dresden zu tun, so haben meine beiden Buben mir in einem alten Kinderwagen den schwe­ren Apparat befördert. Durch diesen Nebenverdienst konnte ich mich finanziell gesund machen. Das nächste Jahr machte er mir das Anerbieten, für ihn 13 x 18 Landschaftsaufnahmen zu machen, die er als Leporelloalbum vertreiben ließ. Ich ließ mir einen 13 x 18 Apparat bauen, bei Hüttig, kaufte die nötigen Objektive und habe nun drei Jahre so im Sommer die Welt bereist – erst Deutschland, dann Holland, Belgien und die Schweiz. Als die Schweizreise rankam, wollte ich gern meine geliebte kleine Frau mitnehmen. Dadurch wurde der Träger, den ich immer mithatte, erspart und kostete also nicht viel mehr. Aber wie das mit dem Atelier machen?

Mein Schwiegervater hatte früher mit einem gewissen Siedersleben zusammen ein Blumengeschäft gehabt. Nach der Teilung bestand die Freundschaft weiter. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete dieser eine sehr unternehmungslus­tige Frau mit etwas Geld. Als Siedersleben hörte, dass ich meine Frau mitnehmen wollte auf die Reise, bot er sich an, als stiller Teilhaber das Geschäft zu betreuen. Weiter redete er mir zu, von ihm 2000 Mk. anzunehmen und damit Unger und Hoffmann auszuzahlen. Ich wollte ihm dafür einen einfachen Wechsel ohne Datum des Fälligkeitstermins geben.

Ich unerfahrener Dummrian verstand die Gefährlichkeit eines Wechsels auf Sicht nicht. Dem war es nur darum zu tun, mittels dieses Wechsels das ganze Geschäft in seine Hände zu bekommen. Ahnungslos reisten wir Beide ab nach Genf, wo ich zuerst zu arbeiten hatte. Der Billigkeit halber wohnten wir nicht im Hotel, sondern privat bei einem Eisenbahner. Es waren einige bekannte Kollegen in Genf in Stellung, die uns betreuten, da wir doch kein Französisch beherrschten. (…) Römmler, den ich gebeten hatte, Miete für mich zu erlegen, schrieb mir, dass Siedersleben den Sichtwechsel präsentiert habe und unter dem Vorgeben, wir wären ins Ausland entflohen, vom Gerichtsvollzieher für die Kosten Pfändung habe vornehmen lassen. Ich bat nun Römmler, durch einen Rechtsanwalt dagegen Berufung einlegen zu lassen, dass die Sache bis zu meiner Rückkehr ruhen musste. Was dann geschah. Ich hatte diesen Sommer für 6500 Mk. Arbeit geliefert. 2500 Mark hat die Reise Spesen verursacht, so dass ich noch 4000 Mk. ausbezahlt bekam. Davon hab ich die 2000 Mk. Siedersleben bezahlt, so dass mir noch Geld blieb, um in Blasewitz das Holzatelier zu bauen, denn das Atelier Pillnitzer Straße war inzwischen weitervermietet worden.

Familie Aurig an der Schillerstraße vor deren Verbreiterung, um 1893 Foto: James Aurig

Familie Aurig an der Schillerstraße vor deren Verbreiterung, um 1893
Foto: James Aurig

Wir fanden zunächst eine Wohnung Tauscherstraße im Restaurant „Schweizerhaus“ (1889). Dort lernte ich einen Zimmermann Franke kennen, der mir auf dem Grundstück Residenzstraße 8, wo ich einen Teil des Gartens gemietet hatte, ein Holzatelier mit gefütterten Wänden baute. Ich hatte viel Lauferei, bevor ich die Baugenehmigung erhielt. Wir hatten aber alles vorbereitet und kurz vor Weihnacht bekam ich die Baugenehmigung. Es hatten sich schon verschiedene Aufnahmen angemeldet, so dass ich dann die ersten Aufnahmen machen konnte, bevor das Atelier ganz fertig war. Am 20. Dezember hat der Glaser erst das Atelier verglast und bis Weihnacht mussten die Bilder fertig sein. Es war eine glückliche Idee, hier anzufangen. Das Geschäft entwickelte sich von Jahr zu Jahr besser und ich konnte Geld sparen.

Vier Jahre war ich im Atelier. Warum wir inzwischen von Tauscherstraße nach Barbarossastraße und dann zur Jakobistraße gezogen sind, weiß ich heute nicht mehr. In dieser Zeit war Hedwig Barthel, die Tochter meines Cousins Herman Barthel, bei uns als Stütze. Sie lernte bei uns Emil Könitz kennen, der damals als ich bei Adler war, dort Photographie lernte. Dieser kaufte später von Rauscher eine Trockenplattenfirma und heiratete Hedwig.

Neben unserem Atelier bestand ein großes Gartengrundstück, welches die ganze Hainstraße, heute heißt sie Justinenstraße, einnahm. Der Besitzer, Bankier Wannschaff, starb. Der Administrator Polizeier Sodan ließ das Grundstück teilen. Vor meiner Tür lag die Gärtnereiabteilung, welche der Gärtner Wannschaffs, Köckeritz, für sich erwarb und ein Wohnhaus mit Stube, zwei Kammern und Küche darauf bauen ließ. Im Jahr 1894 machte er mir den Vorschlag, ihm das Grundstück abzukaufen. Für ihn allein sei zu viel Arbeit, mit einem Gehilfen zu wenig. Wir einigten uns auf 18000 Mark. Am 1. 10. habe ich das Grundstück übernommen. Hinterher tat ihm der Handel leid, er wollte zurücktreten, in der Hoffnung, mehr herauszuschlagen. Ich hatte aber schon angezahlt und ließ mich auf nichts weiter ein. Ich ließ mir nun von Baumeister Scherz Kostenanschlag und Pläne machen und war das Haus mit Atelier im Jahre 1895 Bezug fertig (siehe Elbhang-Kurier 11/2007, Seite 9).

Ganz besonders freute ich mich um der Kinder Willen ein eignes Grundstück zu besitzen, wo sie sich austummeln konnten, weil ich stets mit den Vermietern Differenzen hatte, wenn sie einmal etwas lebhaft waren. Nun hatte uns Keiner mehr Vorschriften zu machen.

Die vier Aurig-Brüder: Hugo, James, Albin und Theodor (v. l.).   Foto: Atelier Aurig (Archiv Friedrich Aurig)

Die vier Aurig-Brüder: Hugo, James, Albin und Theodor (v. l.).
Foto: Atelier Aurig (Archiv Friedrich Aurig)

Die Krönung des photographischen Werkes

Das Geschäft entwickelte sich weiter. Ich hatte stets ein bis zwei Lehrlinge. In den besten Jahren hatte ich einen Umsatz von 36000 Mark. Dann kam der große Bankkrach, bei dem viele Leute ihr Vermögen einbüßten. Mein Umsatz sank in einem Jahr um 14000 Mark. Da aber alle Einrichtungen auf größeren Umsatz abgestimmt waren, sann ich auf Abhilfe. Ich legte mich auf künstlerische Heimporträts. Ich fertigte ein Porträtwerk: „Dresdner Männer und Frauen im Anfang des XX. Jahrhunderts. In drei Bänden“. I. Das Könighaus mit Hofbeamten und die fremden Gesandten II. Die Professoren der Dresdner Hochschulen III. Die Bürgermeister, Stadträte und Stadtverordneten sowie Geistliche, Bankdirektoren und einzelne hervorragende Dresdner.

Dem König stiftete ich alle drei Bände. Wurde dadurch Hofphotograph S. M. des Königs und erhielt noch eine goldene Glashütter Uhr mit kgl. Namenszug (1911). Ich war dadurch in Dresden der einzige Hofphotograph. Die Hofphotographen Höffert, Mayer und Hahn hatten den Titel von ausländischen Fürsten.

Es war eine ungeheure Anstrengung die Aufnahmen dieser drei Werke, und ich betrachte sie auch als eine Krönung meiner gesamten photographischen Leistung. Es ist in Dresden nichts Besseres von anderer Seite geleistet worden. Nach meinem Tode sollen die in meinem Besitz befindlichen drei Bände dem Dresdner Archiv gegeben werden.

In dieser Zeit hatte ich stets auch einige Damen zur Ausbildung hier, welche gut zahlten. Auch zwei aus Dänemark. Ronald und James hatten beide auch in meinem Geschäft gelernt. Danach sind sie noch als Volontär bei Kollegen gewesen. (…)

Die Loschwitzer Kirche um 1900.   Foto: James Aurig („Ortsgeschichtliche Sammlung Blasewitz und Umgegend“ von Karl Emil Scherz)

Die Loschwitzer Kirche um 1900.
Foto: James Aurig („Ortsgeschichtliche Sammlung Blasewitz und Umgegend“ von Karl Emil Scherz)

Entspannung in Gohrisch und Homöopathie als neuer Beruf

Im Jahr 1898 sind wir zum ersten Mal auf Anregung vom Kollegen Taggesell auf ein paar Wochen in die Sommerferien und zwar nach Waltersdorf in der Sächsischen Schweiz gegangen. Die Kollegen Eisen und Stotz waren auch mit. Wir wohnten beim Bauer Wünsche. Es war dort nicht besonders. Man musste weit laufen, bevor man sich ungeniert ins Gras legen konnte. Da sagte uns Stotz, dass es in Gohrisch viel schöner sei und zeigte uns, wo Gohrisch am Gohrischstein liegt. Einige Zeit danach bin ich mit Stotz per Rad nach Gohrisch gefahren. Er hatte von seinem Hauswirt Wilhelmi eine Baustelle gekauft. Ich war so begeistert, dass ich von Wilhelmi, der auch mit dem Rad mitgekommen war, auch eine Baustelle neben Stotz kaufte. (…)

Ich ließ mir von Baumeister Naumann in Königstein ein kleines Gartenhaus mit Tür und zwei Fenstern bauen, in dem man auch schlafen konnte. Ein Nachbar zeigte es an, dass wir darin schliefen, worauf es uns verboten wurde. Ich machte geltend, dass wir wachen müssten, da uns die jungen Bäumchen gestohlen wurden, darauf erhielt ich die Erlaubnis, darin zu schlafen. Dann ließ ich von Baumeister Naumann das kleine Landhaus bauen. (…)

Bei Ausbruch des Krieges (1914) musste Dr. Jaenicke (der Ehemann von Tochter Alma) als Tierarzt mit hinaus ins Feld. Ronald wurde im Zeichenbüro der Munitionsindus­trie beschäftigt. James wegen Prostataleiden eine zeitlang im Lazarett behalten, dann wieder heim geschickt.

Als nach Kriegsende 1918 die Soldaten zurückkamen, ließ ich vom Baumeister Luther auf das Dach der Veranda (in Blasewitz), die zur Wohnung von James gehörte und erst fensterlos war, eine Veranda geschlossen für unsere Wohnung bauen. Ich hatte mich aus Liebhaberei schon jahrelang mit Pendelforschung beschäftigt. Da der zweite Sohn meiner Schwägerin schwer krank an Lungen- und Kehlkopftuberkulose erkrankt war und wenig Hoffnung auf Genesung blieb, übernahm ich seine Behandlung auf Grund meiner Pendelforschung. Es gelang mir, ihn in fünf Monaten zu heilen. Auch meine geliebte Frau, welche schwer nervenkrank war, nahm ich selbst in Behandlung, da ihr bei den verschiedenen Ärzten keine Hilfe wurde. Es gelang mir, ihr Leiden bedeutend zu bessern, so dass sie noch jahrelang an meiner Seite zu leben vermochte. Durch diese Erfolge wurde meine Behandlung durch Pendelforschung bekannt, so dass ich im Jahre 1922 das Gewerbe als Homöopat anmelden konnte und große Praxis bekam. Ronald machte mir nach meinen Angaben die Medizin, wofür ich ihm freie Wohnung, Licht und Heizung gewährte, dazu ein reichliches Fixum an Geld.

Die geschäftlichen Verhältnisse wurden mit den Jahren schlechter, die Arbeitslosigkeit so groß, dass keine Arbeiter mehr zu mir in Behandlung kommen konnten. Ich musste ihm sein Fixum erst kürzen und zuletzt ganz versagen. Inzwischen hatte er aber seinen Kunstverlag gut eingeführt, so dass er ohne meine Unterstützung leben konnte.

Im Februar 1933 starb plötzlich und unerwartet meine geliebte kleine Frau. Da ich nun die ganze Etage nicht mehr benötigte, beschlossen wir, die Wohnung zu teilen, damit mein Schwiegersohn und Tochter zu mir ziehen konnten. Ich nahm nun hierbei einen Umbau vor.

Anm. d. Red.: Nach dem Umbau, für den sich James Aurig nochmals verschuldet und einen Teil seines Grundstückes in Gohrisch verkaufte, schrieb er 1935, kurz vor Vollendung seines 78. Geburtstages, seine Autobiografie. Er starb noch im gleichen Jahr, am 19. November 1935.     

  • Quelle: Autobiographie James Aurig (Sammlung Friedrich Aurig)
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