Ulf Göpfert zum 65. Geburtstag

Er ist bekannt dafür, unmittelbar und direkt auf aktuelles Zeitgeschehen zu reagieren. Nach der deutschen Wiedervereinigung reagierte er als Dezernent für Kultur und Tourismus der Landeshauptstadt Dresden mit der Gründung de Kulturrathauses auf die Bedürfnisse der Stadt und hinterließ damit eine dauerhafte, zukunftsweisende Spur.

Ulf Goepfert in seinem Rockauer Atelier, 2007 (Foto: Dr. Jördis Lademann)

Ulf Goepfert in seinem Rockauer Atelier, 2007
(Foto: Dr. Jördis Lademann)

Auch in der Bildenden Kunst, der er sich seit 1994 wieder freischaffend widmet, reflektiert er gegenwärtiges Geschehen. Das Gemälde „11. September“, signiert und datiert vom 11. September 2001, 18 Uhr, belegt dies in erregender Weise. Denn als an jenem 11. September alle Sender von den Anschlägen auf das New Yorker World Trade Center berichteten, trieb es Ulf Göpfert an die Staffelei, die Ungeheuerlichkeit, noch während sie im Gange war, malerisch zu erfassen und zu begreifen. Mit immer neuen Berichten im Ohr, entstanden an diesem Tag die Kuben der Twin-Towers im Schwelbrand. Pressefotos, die am nächsten Morgen erschienen und den Einsturz dokumentierten, collagierte er im Nachhinein protokollarisch auf die Leinwand des Acrylbildes auf.

Der gelernte Restaurator barocker Möbel (zwischen 1963 und 1972 in den Kunstsammlungen von Weimar, Dresden und Potsdam-Sanssouci) kehrte 1973 nach Dresden zurück, um freiberuflich auch eigene künstlerische Intentionen zu verfolgen. Den in der Restaurierung formulierten Grundsatz, jedes Stück bis ins letzte Detail durchzugestalten übertrug er auf seine künstlerische Arbeit im nichtgegenständlichen Bereich. Heute scheiden sich an seinen künstlerischen Äußerungen die Geister wie selten in der Dresdner Kunst-Arena. Von „lustig bunt, verspielt“, bis zu „streng und diszipliniert“ und zu völligem Unverständnis gehen die Meinungen. Allein von abstrakter Kunst zu sprechen, wäre ungenau. Seine Malerei entspricht der Konkreten Kunst, die Naturanlehnung, Lyrismus und Symbolismus vermeidet, doch sich einfacher und visuell kontrollierbarer Techniken bedient, gemäß einem Satz Theo van Doesburgs, dass nichts konkreter und realer sei als eine Linie, eine Farbe und eine Fläche (um 1930).

Bekenntnishaft betont Göpfert den prägenden Einfluss seines Vaters, des Architekten, Professors und zeitweiligen Denkmalpflegers, Rolf Göpfert. Aber auch von Herrmann Naumann, bei dem er neben Abitur und Tischlerlehre Unterricht in Malerei und Komposition nahm, und durch Philip Oeser in Weimar, dessen emotional-abstrakte malerische Farbtonwirkungen Göpfert ebenso schätzen lernte, wie seine grafische Experimentierfreudigkeit, fühlte er sich zu eigenem konstruktiv-konkreten Kunstwollen angeregt. Schließlich durch Willy Wolff und dessen vielfältige modernistische Ansätzen.

In mehreren Phasen, fast möchte man von Serien sprechen, wandte er sich verschiedenen Techniken zu: In den siebziger Jahren der Ölmalerei: Mit dunklen warmen, Farben, nass in nass  auch auf dunkle Gründe malend, sagte er sich vom Gegenständlichen los. Zu Beginn der achtziger Jahre hatte in Leipzig eine für die DDR sensationelle Pop-Art Ausstellung ein Fenster zur westlichen Postmoderne geöffnet. Zur selben Zeit etwa kam mit synthetischen, tubenreinen Acrylfarben auch eine neue Farbauswahl auf den Markt: Pink, Margenta, Türkis mischten sich in die Alltagskultur und lösten mit ihrer geradezu oppositionellen Frische eine unbeschwerte Lust am Experimentieren aus. Göpfert reagierte mit farbenfrohen, bewegten Serien, die er „Debuts“ und „Coll-Ages“ nannte. Acrylmalerei auf Leinwand, wesentlich schneller trocknend als in Öl, kam seinen Ansprüchen an eine saubere Farbigkeit, an klare Linienführung und überschaubare Komposition so weit entgegen, dass er auch strengere architektonische Visionen, zunehmend mit Lineal und Zirkel komponierte: „Konstruktive  Landschaften“ wurden zu einem weiten Themenfeld, das bis heute noch nicht abgeschlossen scheint, die vom Bauhaus inspirierte Folge „Cadres Noires“, die „Shogune“ und „Calligras“ in freierer Beweglichkeit. Die Entwicklung kulminierte in den expressiven „Trichotomen“, die ganz vom Gegensatz zwischen vehementen roten Pinselhieben und technokratisch exakt konstruierten mechanischen Maschinerien in schwarz leben.

Eine neue Stufe der Nachmalerischen Abstraktion erreichen die optisch scheinbar hinter die Malfläche gebannten, in sich verschränkten und rhythmisch gestaffelten räumlichen Visionen der Zen-On. Wer sich darauf einlässt, gewinnt über diese in sich geschlossenen wirkenden Bilder Zugang in die Fiktion eines grenzenlosen geometrischen Universums, das weder oben noch unten, links oder rechts kennt, sondern schwerelos, in festgefügter Ordnung durch Raum und Zeit treibt: Einer perfekten Illusion von Körpern in Raum, Licht und Schatten, Stabilität und Labiltät. Unweigerlich wird man in einen medidativen Sog gezogen, um festzustellen, dass dort nichts so sein kann, wie es scheint. Die Zen-ON füllen aus der Tiefe leuchtend ihre großen Formate in fast monochromer Modulation durch wenige feine Abstufungen der Farbwerte. Eine kontrast- farbene Abgrenzung schafft, wie ein auf die Malfläche gelegtes Gitter, die optische Distanz die uns in eine andere Dimension weist, aus welcher nur hier und da einzelne Elemente bis zu uns dringen – Manifestation Göpferts ästhetischer Ansprüche an ein klares Konzept, reine Formen und lichterfüllte Farben, an beherrschte Integration des Zufälligen und Konträren sowie eine vollendete handwerkliche Arbeit.

Monotypien, Siebdrucke und Collagen begleiten sein Schaffen,  gelegentlich gröbere Holzskulpturen oder fein geschliffene Specksteinobjekte, denen man ansieht, mit welchem Genuss hier dem Material fast blumige Zartheit abgewonnen wurde, Vielschichtigkeit und nahezu grenzenlose Gestaltvielfalt.

In den letzten Jahren mehrten sich Gestaltungen am Bau. Die Innenräume des Landesfunkhauses des MDR Dresden, der Dresdner Banken in Bischofswerda und Dresden, sowie das Modernisierungsprojekt der Stadthalle in Burg (2002), wo seine plastischen und farbstarken Entwürfe eine aktivierende, die Räume weitende, klärende Atmosphäre entwickeln. So findet die architektonische Disposition des Vaterhauses in seinem reifen Werk Fortsetzung auf der Höhe der Zeit.

Reife artikuliert sich auch in einer neuerlichen Hinwendung zum spielerischen Umgang mit dem Material. Locker bemalte französische Dachpfannen, Vasen und bunte Kunststofffiguren verschiedener Größen bevölkern sein Atelier. Den „Millenium-Schritt“ beging er hier in entspannter Atmosphäre, selbstverständlich mit dem Pinsel in der Hand, einen schwungvollem Bogen von 1999 ins neue Jahrtausend hinein beschreibend. Sicher wird auch der nahende 16. Juli in irgendeiner, hoffentlich ebenso entspannten und humorigeren Form, auf Leinwand oder Papier gebannt. Wir sind neugierig und gratulieren herzlich!

Dr. Jördis Lademann

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