„Obstorangerien im Scherben“ im Landschloss Zuschendorf

Kein schönerer Anblick für Tafel und Balkon –
vom 6. bis 21. September 2014

Schloss Zuschendorf wird zum „Apfelschloss“

Schloss Zuschendorf wird zum „Apfelschloss“

Wäre das nicht wunderbar: Sie sitzen an einer festlich gedeckten Tafel, darauf steht ein kleiner Apfelbaum mit herrlichen Früchten. Als Nachtisch pflücken Sie sich den Schönsten und beißen voller Lust in die knackig süß-saure-aromatische Frucht. Oder Sie sitzen an einem heißen Spätsommertag im Liegestuhl auf dem Balkon, lesen vielleicht ein spannendes Buch – daneben ein Apfelbaum, der Ihnen köstliche Früchte spendet. Die Ausstellung zeigt genau diese paradiesähnlichen Zustände, deren Historie und auch die Möglichkeiten in unserer Zeit.

„Obstorangerien im Scherben“ wurden vor reichlich 200 Jahren diese verlockenden Bäumchen genannt. Dabei wurden Obstbäume gesammelt, nach der gleichen Technik wie bei Bonsai kleingehalten und in schöne Keramiktöpfe gepflanzt. Oftmals wurden sie in Orangerien oder Kalthäusern überwintert, z.T. auch angetrieben. Die Früchte gelangten als Tafelobst oder auch als Baum, von dem man selbst pflücken konnte, auf die festliche Tafel wohlhabender Familien. Erste kleinere Versuche mit dieser Kultur unternahmen die Franzosen. Über Holland verbreitete sich diese Gartenkunst in Deutschland. Die Preußenkönige in Sanssouci nutzten etwa 1000 Bäume zur Bereicherung ihrer Tafel, ebenso wie die Familie Krupp im Garten der Villa Hügel in Essen, die jährlich 5000 Früchte von 300 Zwergbäumen gewannen.

Später erwachte der Forscherdrang und man nutzte die Möglichkeit, auf kleinster Fläche eine Vielzahl an Obstorten zu kultivieren, kennen zu lernen und vergleichen zu können. Nach 1800 waren Sammlungen von 1000 Stück gar nicht selten.

Ende des 19. Jahrhundert fanden die Bäume unter der Bezeichnung „Zwergobstbaum im Topf“ allgemeine Verbreitung. Im Jahre 1923 schreibt ein Herr Trott in seinem Artikel „Topfobstbäume und deren Pflege“: „Wieder ist es der arme Großstädter, der die vielen Freuden der eigenen Obstzucht entbehren muß, da er über kein Stück Garten verfügt. Wer niemals einen eigenen Garten besessen hat, der kann sich kein Bild davon machen, mit welchem Interesse, ja welcher Lust das Wachstum der Obstbäume und Sträucher verfolgt wird. Zuerst ist die Erwartung auf eine reiche Blüte vorherrschend; ist diese eingetreten und hat sich das Auge an der Pracht erfreut, so beginnt auch schon das Interesse zu erwachen: wie wird sich der Fruchtansatz gestalten? Bald kann man auch hier seine Neugierde stillen, und ist der Ansatz ein reicher, so rechnet man schon im Stillen mit der guten Ernte. All diese Freuden, diese Erwartungen, muß der arme Großstädter entbehren. – Ihm bleibt nur sein wenige Schritte langer Balkon, als Erholungs- und Ruheort. Aber auch er kann sich seinen Obstgarten schaffen, natürlich nur im Kleinen.“

Etwa Mitte der 80iger Jahre begannen wir uns mit der Historie von Bonsai, den Zwergbäumen zu beschäftigen. Besonders suchten wir nach eigenständigen Entwicklungen in Europa und stießen dabei auf die „Obstorangerien im Scherben“. Damit glaubten wir, dass die Technologie der Verzwergung nicht nur in Ostasien, sondern auch in Europa entwickelt wurde. Als wir dann das Buch des Churfürstlichen Hofgärtners Johann Heinrich Seidel „ Der Frühlings- und Sommergärtner“ aus dem Jahre 1803 in die Hände bekamen, wurde der Irrtum offenbar. Schon am Anfang der Schrift findet sich ein farbiger Stich, der einen Chinesen Zwergbäume tragend zeigt.

Die Ursprünge lagen also in Fernost, jedoch hatte man die eher philosophische, z.T. an Religionen gebundene Gartenkunst mit praktischem europäischen Sinn versehen. Statt Kiefern, Wacholder oder Wildarten von Obstgehölzen wurden nun Kultursorten mit essbaren Früchten verwandt. Fasziniert von diesen Möglichkeiten begannen wir das übliche Handelssortiment der DDR, welches von historischen Sorten bis zu Pillnitzer Neuzüchtungen reichte, auszuprobieren. Nach historischem Vorbild entwickelten wir gemeinsam mit dem Steingutwerk in Dommitzsch einen im offenen Feuer gebrannten, manufakturell hergestellten Keramiktopf. Unser Sortiment haben wir inzwischen auf etwa 100 Obstsorten, vorrangig Äpfel, erweitert, die in Sachsen angebaut wurden und werden. Mit nahezu 1500 Pflanzen haben wir vermutlich heute weltweit die größte Sammlung dieser besonders schmackhaften Gartenkunst. Grund genug, dazu einmal eine Ausstellung zu gestalten.

Neben der Historie sollen in der Ausstellung aber auch die „Alternativen“ für den modernen „Balkongärtner“ aufgezeigt werden. Dabei werden Konzepte im urbanen Raum (HTW Dresden, TeamGarten Berlin) ebenso wie konkrete Neuzüchtungen vorgestellt. Eine interessante Möglichkeit stellt die von Frau Dr. Barbara Dathe gezüchtete Sorte ’Mini-Cox’ dar. Diese Zwergsorte trägt trotz kleinen Wuchses große schmackhafte Äpfel. Sie wurde u.a. auf der IPM (Internationale Pflanzenmesse Essen) mit der Begründung zum Gewinner der Kategorie „Gehölze“ gekürt, dass die Neuheit „auch für die Terrasse geeignet ist und damit Landlust im urbanen Umfeld ausstrahlt“. Eine weitere “Alternative” ist das säulenförmig wachsende Columnar-Obst. Es beansprucht wenig Raum und kann in Töpfe gepflanzt werden. Eine der in der Ausstellung gezeigten Sorten, ’Coxcolumnar’, züchtete ebenfalls Frau Dr. Barbara Dathe aus Pirna.

Ganz neu gibt es eine säulenförmig wachsende Sauerkirsche mit Namen ‘Jachim’, mit der die Baumschule Müller aus Oschatz an der Ausstellung teilnimmt (Züchter Dr. Mirko Schuster). Aber auch wer nicht unbedingt nach den saftigen Früchten schmachtet, hat interessante neue Möglichkeiten. Aus einer Kreuzung zwischen einer Wild- und einer Kulturform schuf der gleiche Züchter überaus reichtragende Zieräpfel der Sorten ‘Sachsengold’ und ‘Pillnitzer Roter’ . Die gezeigten Sorten werden in der Baum- und Rosenschule Wolfgang Müller und Sohn in Oschatz (Säulen- und Zieräpfel) und in der Baumschule Oberdorla (Sorten von Frau Dr. Dathe) produziert und für die Ausstellung zur Verfügung gestellt.

Unter Federführung des bekannten Erdbeerzüchters Dr. Klaus Olbricht hat sich die Thematik der Schau deutlich erweitert: Die Grüne Liga Osterzgebirge e. V. und der Staatsbetrieb Sachsenforst stellen ein Projekt zur Erhaltung seltener heimischer Wildobstarten vor. Dr. Rolf Büttner, ein hochverehrter Experte für Wildobstarten, berät die Grüne Liga Osterzgebirge e.V. bei ihrem laufendenden Forschungsprojekt. Drei Herkünfte aus dem Erzgebirge wurden im Bundessortenamt, Prüfstelle Wurzen, für unsere Ausstellung veredelt.

Deutsche Gärtnerzeitung, 1883.

Deutsche Gärtnerzeitung, 1883.

Ein besonderes Kapitel der Obstbaugeschichte, welches sich bis in das alte Rom zurückverfolgen lässt, sind die meist aus Pappmaché und Wachs nachgebildeten Modelle der Sorten. Dr. Jürgen Götze ist profunder Experte und hat die Historie und die noch existierenden Sammlungen gründlich untersucht. Seit 1796 sind sie durch Pfarrer Johann Volkmar Sickler aus Kleinfahner auch in Deutschland nachgewiesen. Die kaum vom Original unterscheidbaren künstlichen Nachbildungen dienten als Schmuck und auch zum Scherz in den Obstschalen; wichtiger ist aber die wissenschaftliche Seite zur Beschreibung der Sorten. Dr. Erik Schulte, Referatsleiter im Bundessortenamt, Prüfstelle Wurzen, wird uns ein besonderes „Wachsobstkabinett“ zur Verfügung stellen. Die über 80 Jahre alten Obstmodelle stammen aus Mitschurinsk in der damaligen Sowjetunion und sind von beeindruckend hoher Qualität. Auch heute noch in alter Sonneberger Tradition handgefertigte Früchte aus Coburg werden in alten Bauernschränken gezeigt.

Eine andere Art der Darstellung der Sorten war und ist die botanische Malerei und Illustration. Einen besonderen Fund aus den verborgenen Tiefen der Kirchenbibliothek Röhrsdorf präsentieren uns Pfarrer Christoph Rechenberg und Fotograf Holger Stein: ein handschriftliches Manuskript einer Pomologie mit farbigen Zeichnungen von Johann Gottfried Ziller (1762 – 1831).

In weiteren Räumen erwarten die Besucher Bilder aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, u.a. Zeichnungen von Obstsorten von Annie Schalin und Aquarelle des einstigen Naumburger Wildobstsortimentes. Dieses bildete die Grundlage der heutigen Pillnitzer Sammlung des Julius-Kühn Institutes. Die Bilder und Zeichnungen sind nicht nur von hohem dokumentarischem Wert, sondern einfach auch schön anzuschauen.

Aus den Beständen der Humboldt-Universität Berlin (Lehr-und Forschungsgebiet Gärtnerische Pflanzensysteme) werden einzelne Blätter aus dem umfangreichen und ca. 100 Jahre alten Publikationswerk „Deutschlands Obstsorten“ gezeigt. Wer tiefer in die Materie der Obstzüchtung eintauchen möchte, erhält Einblicke aus erster Hand. Auf Tafeln, Postern und natürlich auch an Hand echter Früchte erklärt Prof. Dr. Manfred Fischer die Entwicklung beginnend von wildwachsenden Arten bis zu modernen Sorten Pillnitzer Züchtung. Prof. Fischer ist der ehemalige Leiter der Genbank Obst Dresden-Pillnitz.

Nicht nur zur Auflockerung der hohen Wissenschaft werden zwei Künstler die Schau begleiten: Luise Kallweit fertigte sehr natürliche keramische Pflanzgefäße. Auch für eine Tafel auf dem Schlossbalkon entstanden mit Wildkräutern bepflanzte Teller, Schüsseln und Becher mit dem Titel “Wild – Pflanzen – Kultur”. Dies ganz bewusst im Kontrast zu den Kulturpflanzen in den festlichen Schlossräumen. Gudrun Gaube bemalte edle Porzellangefäße zum Schmuck einer Festtafel. Bepflanzt werden diese mit Erdbeeren, zu denen auch eine spektakuläre Walderdbeerneuzüchtung von Dr. Klaus Olbricht (Hansabred GmbH & Co. KG) namens ‘Fontaine’ gehört. Wer seine Tafel, seine Terrasse oder den Balkon mit besonderem Anspruch gestalten möchte, kann hier die rechte Idee gewinnen.

Das Dresdner Architektenehepaar Volker und Susanne Berthold wird das Geschilderte nicht nur zu einem Gesamtbild formen, sondern auch erfrischend humorvolle Szenen gestalten. Dazu gehört die Mär von „Adam und Eva“ genauso wie der berühmte Apfel auf dem Kopf in Schillers „Wilhelm Tell“; der Raub der goldenen Äpfel der Hesperiden durch Herkules ebenso wie der vergiftete Stiefmutterapfel für Schneewittchen.

An einem Sonnabend begrüßen wir in der Ausstellung Herrn Dr. Detlef Ulrich vom Julius-Kühn Institut Quedlinburg. Herr Dr. Ulrich ist Aromaforscher. Mit ihm können unsere Gäste an einer wissenschaftlich begleiteten Verkostung teilhaben und Erklärungen über die Aromaausbildung beim Apfel erhalten.
Vom Bundessortenamt, Prüfstelle Wurzen, kommt ebenfalls für einen Sonnabend der Sortenspezialist für Äpfel und Sauerkirschen, Herr Roland Lebe, so dass Besucher ihre mitgebrachten Apfelsorten bestimmen lassen können.

Öffnungszeiten und Preise

  • Öffnungszeit: Montag: 10 – 16 Uhr
  • Dienstag bis Sonntag: 10 – 17 Uhr
  • Eintritt: 5 Euro, ermäßigt für Schüler, Studenten und Schwerbehinderte: 4 Euro

Sonderveranstaltungen während der Ausstellung:

  • 13. September 2014, 10 – 12 Uhr und 14 – 16 Uhr:
    Verkostung mit dem Aromaforscher Dr. Detlef Ulrich, Julius-Kühn Institut Quedlinburg
  • 20. September 2014, 10 – 12 Uhr und 14 – 16 Uhr:
    Sortenbestimmung mit Herrn Roland Lebe, Bundessortenamt, Prüfstelle Wurzen

Die Ausstellung wird zwei Etagen des Schlosses die mittelalterlichen Gewölbe und die barocken Festräume, füllen. Das Kamelienschloss wird für 16 Tage zum Apfelschloss!
Im Internet: www.kamelienschloss.de

Getagged mit: , , , , , , ,
Veröffentlicht unter Der Elbhang-Kurier, Zusätzliche Artikel online