„Dresden ist mir auf den Leib geschrieben“

Ernst Hassebrauk und die visuelle Identität Dresdens nach 1945 als Thema einer Promotion im Fach Kunstgeschichte

Die Zerstörung Dresdens zu Ende des Zweiten Weltkriegs brach eine jähe Zäsur in die seit der Mitte des 18. Jahrhunderts kontinuierlich geführte, vielfältige Malkultur der Stadtansichten Dresdens. Das als wesentliche Identifikationsebene fungierende historische Altstadtpanorama war beschädigt und zerrissen, zentrale Bauten der Residenz verschwanden, ganze Stadtteile waren verloren.

Die sich zwangsweise auf vielen Ebenen stellende Problematik des „Wohin?“ in Verbindung mit der Frage nach dem „Woher?“ wurde auch künstlerisch vielfach diskutiert. Ein nicht unerheblicher Beitrag zur Identitätsfindung Dresdens nach 1945 ist den malerischen und zeichnerischen Stadtansichten Ernst Hassebrauks (1905-1974) zuzuschreiben. In seinen farbstarken, schwungvollen Szenen und Darstellungen leben die Formen und Ornamente des spätbarocken Dresden des 18. Jahrhunderts; werden durch die expressive Farbwahl und die Hassebrauk eigene, sehr freie Linie jedoch mit den Errungenschaften der mit der Künstlergruppe „Brücke“ in Dresden erwachten Moderne verbunden.

Hassebrauk gelang es, ohne jegliche Sentimentalität (jedoch auch ohne kritische Distanz) Historie und Gegenwart in seinen Werken zu verbinden, was diese in den Jahren des Wiederaufbaus häufig zu subtilen Identifikationsmodellen werden ließ.

Ernst Hassebrauk Archiv Elbhang-Kurier

Ernst Hassebrauk
Archiv Elbhang-Kurier

Ein von mir an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg angemeldetes Promotionsvorhaben widmet sich eben diesen Zusammenhängen sowie der Fragestellung, wie sich die Binnen- und Außenwahrnehmung Dresdens nach dem Zweiten Weltkrieg formte, welche kunst- und gesellschaftspolitischen Faktoren an dieser Stelle nachhaltig wirkten. Mit der 1981 erschienenen Monographie von Dieter Hoffmann, zahlreichen Ausstellungskatalogen und Rezensionen ist das Werk des Künstlers weitgehend dokumentiert; eine wissenschaftliche Bearbeitung auf aktuellem Forschungsstand, die eine Verortung des hassebraukschen Werks in kunsthistorischen Zusammenhängen zeigt und sich auch einer kritischen Bewertung nicht entzieht, blieb bislang jedoch aus. Diese Lücke soll nun geschlossen werden.

Dass Hassebrauk wie kein anderer Dresdner Künstler mit Loschwitz verbunden war, ist an vielen Stellen bereits eindringlich dargelegt worden. Der Stadtteil um das „Blaue Wunder“ mit seinen zur Elbe hinabschwingenden Hängen, den baumgesäumten Wegen am Fluss, der pittoresken Dorfanlage im Kern und den von der eigenen Terrasse in der Schevenstrasse 29 erlebbaren Ausblicken Richtung historische Altstadt inspirierte Hassebrauk, wurde ein selbstverständlicher Teil seiner künstlerischen Welt, wirkte auf ihn ein. Dieses Wirken war durchaus wechselseitig – auch Hassebrauks Werke prägten die Eigensicht Loschwitz‘ nachhaltig, wie sich nicht zuletzt darin zeigt, dass den Einband des jüngst im Elbhang-Kurier-Verlag erschienenen eindrucksvollen Loschwitz-Bandes ein Motiv aus der Hand des Künstlers ziert.

Das Promotionsvorhaben begleitend wird ab dem 1. Januar ein eigener Internetauftritt zum Künstler aktiv sein. Unter www.ernsthassebrauk.de findet sich neben biografischen Angaben, einer repräsentativen Werkauswahl und einem Überblick über bislang erschienene Publikationen und Ausstellungskataloge auch eine kurze Vorstellung des Promotionsthemas. Es ist angedacht, ein Verzeichnis aller bekannten Werke Hassebrauks zu erstellen, die sich unter dem Themenkreis „Dresden und dessen Umland“ zusammenfassen lassen.

Hierzu bitte ich um aktive Unterstützung durch Besitzer von Werken Hassebrauks, ehemaligen Freunden oder Bekannten des Künstlers und durch den Kunsthandel. Für Nachfragen, Anregungen, Informationen und Hinweise auf thematisch relevante Werke in Handel, privaten Sammlungen oder Haushalten finden Sie auf dieser Seite neben einem automatisierten Email-Formular eine Auflistung meiner Kontaktdaten. Sämtliche Anfragen werden diskret behandelt.

Am Mittwoch, den 2. Dezember 2015, wird um 19 Uhr in der Galerie Döbele in der Schössergasse 29 beim Dresdner Schloss die Verkaufsausstellung „Der barocke Hassebrauk“ eröffnet. Liest man diese Bezeichnung häufig als Charakteristikum für die auf das künstlerische Werk ausstrahlende genussvolle Lebensart (und Erscheinung) des Künstlers, steht hier doch die konkrete Auseinandersetzung Hassebrauks mit Kunstwerken und Stilmitteln des späteren 17. und des 18. Jahrhunderts im Zentrum der Betrachtung. Neben zahlreichen Stilleben werden Adaptionen nach barocken Portraits und seltene Objektblätter der „Wiederbegegnung“ mit Dresdner Kunstwerken, die in den Jahren 1956 bis 1958 aus der Sowjetunion zurückgekehrt waren, zu sehen sein.

Falls Sie Interesse an oder Fragen zu meiner Beschäftigung mit dem Werk von Ernst Hassebrauk haben, bietet sich an diesem Abend auch die Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch.

Annegret Karge, M.A.

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