Schuch und Wagner – Zwei Kapellmeister im Jagdschloss Graupa

»Den Meister Schuch kennt jedes Kind
Und wer ihn nicht kennt, tut’s geschwind!
Was wär die Oper ohne ihn,
Was Neunte, Strauß und Lohengrin?«

So zu lesen auf einer Karikatur in Postkartenform aus dem Jahr 1911. Heute ist der einstige Generalmusikdirektor der Dresdner Hofoper vor allem unter Dresdnern über den Namen seiner jüngsten Tochter Liesel von Schuch bekannt, in jüngster Zeit auch durch die jährliche Verleihung des Ernst-von-Schuch-Preises an begabten künstlerischen Nachwuchs. Als überragender wie ungewöhnlicher Dirigent belebte Schuch den Spielplan in außergewöhnlicher Breite. Erst- und Uraufführungen unter seiner Leitung würden Dutzende Zeilen füllen, seine Verdienste um die Musikpflege ganze Seiten…

Blick in den Sonderausstellungsraum  der Schuchausstellung

Blick in den Sonderausstellungsraum der Schuchausstellung


Dass sich Schuch des Bühnenwerkes von Richard Wagner in ganz besonderer Weise annahm, auch darum weiß die Nachwelt. Doch wie geschah das konkret, wer war daran noch beteiligt und vor allem: Wodurch wurde Dresden ab Mitte der 1880er Jahre zum Wagner-Eldorado, was der große Vorgänger im Amt einst schon in der Elbmetropole entwickeln wollte und das durch seine Flucht nach dem gescheiterten Maiaufstand tragisch abbrach. Nun, um 1900, rangierte die Dresdner Wagner-Pflege auf Augenhöhe mit Wien, München, Berlin, Bayreuth und New York.
Genau diesem schöpferischen Verhältnis Schuchs zu Richard Wagner als ein einzigartiges Phänomen der Wagner-Rezeption widmet sich die gegenwärtige Sonderausstellung im Graupaer Jagdschloss. Mit dem Titel »Alle meine Kräfte diesem Werke … – Schuchs eigener Wagner« wird umrissen, worum es geht: Hier fühlte sich ein Musikgenie einem Vorgängergenie, das am gleichen Olymp der Musen wirkte, besonders und auf ganz eigene Weise verpflichtet.
Die übersichtlich strukturierte Ausstellung erlaubt einen anschaulichen Rundgang durch die Schuch-Ära mit Blick auf das Davor und Danach. Der Besucher begegnet bekannten Künstlernamen wie Therese Malten, Heinrich Gudehus und einigen weiteren der bedeutendsten Sängerinnen und Sänger, den Herren der königlichen Kapelle als ausgezeichnetes »Siegfried-Orchester«. Gezeigt werden Robert Sterls psychologische Schuch-Studien (sofern sie sich auf Wagner-Werke beziehen), farbenreiche Bühnenbild- und Kostümentwürfe von Otto Altenkirch (zu »Parsifal«) und Leonhard Fanto (zu »Tannhäuser«) und – da wir gerade bei den Preziosen sind – ein Ehrentaktstock für Meister Schuch, zusammen mit dem Gipsmodell der Jenny von Bary (die Vorlage für die Schuch-Bronzebüste in der Semperoper), das letzte Foto Schuchs vom Frühjahr 1914 und weitere wertvolle Leihgaben der Urenkel Schuchs, Dr. Bernt-Christoph Lämmel und Martina Damm, die Sprecherin der Familienstiftung sowie aus Dresdner und auswärtigen Archiven. Tonaufnahmen von Sängern und Sängerinnen, die noch unter Schuch sangen, lassen einen bereichernden akustischen Eindruck entstehen, so dass die Ära Schuch – mit einiger Fantasie und etwas Einfühlungsvermögen – die Aura Schuch erahnen lässt. Insofern ist diese Ausstellung eine spezielle Ergänzung zu den Schuch-Ausstellungen 2014 im Dresdner Stadtmuseum und im Foyer der Landesbühnen in Radebeul.
Auch wenn unser Maestro mit seiner Familie, besonders gern mit Liesel, um seinen idyllischen Landsitz spazieren ging, hatte er über Freunde und Kollegen wie Karl August Lingner, Dr. Küntzelmann, durch Sängerinnen mit Domizil am Elbhang einschließlich vermuteter Bekanntschaft mit Dr. Lahmann (freundliche Auskunft von Frau Damm) zweifelsohne auch die Gegend östlich von Dresden geistig im Visier. Dass Wagner in Loschwitz Ferienwochen seiner Kindheit verlebte, auf Findlaters Weinberg einkehrte und in Waldschlösschen-Nähe am »Tannhäuser« komponierte, wird Schuch, dem Vielwissenden, bekannt gewesen sein.
Die Sonderausstellung ist täglich außer montags bis zum 19. März 2017 zu besichtigen.
Christian Mühne

Veröffentlicht unter Allgemein, Der Elbhang-Kurier, Kunst und Kultur, Zusätzliche Artikel online